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Lebe den Augenblick!

Einen grausameren Tod kann man von einem Menschen wohl kaum verlangen. Was ist der Augenblick? Das Hier und Jetzt? Die Gegenwart? Diese Sekunde?

Die Zeit ist weder linear noch punktuell. Doch der Mensch hat eine gewisse zeitliche Linearität. Er bedarf einer Vergangenheit, einer Gegenwart und einer Zukunft. Das ist es, was ihn ausmacht. Was sein Leben ausmacht. Dort sind seine Träume und Hoffnungen verwurzelt um Blüten zu treiben. Dabei ist die Gegenwart eine Summe aus den Erfahrungen der Vergangenheit und eine Vorstellung über die Zukunft.

Was passiert nun mit einem Menschen, dem man Vergangenheit und Zukunft abspricht, damit er nur im Hier und Jetzt leben soll? Es bleibt nur eine dedizierte Systembeschreibung übrig. Völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Eine Objektdefinition. Entmenschlicht. Das Leben ausgeklammert. Dieses Hier und Jetzt entspricht nur einem Zustand: Dem Tod - einem Schnitt durch das Kontinuum. Eine armselige Definition von Glück.

Willst du einen Menschen brechen, fordere ihn auf, nur im Hier und Jetzt zu leben. Entziehe ihm den göttlichen Anteil seiner Persönlichkeit. Nehme ihm sein Leben, seine Entwicklung, seine Erfahrungen, seine Träume. An diesem Punkt der Selbstaufgabe bleibt dem Menschen dann nur Eines übrig: Das vollkommene Nichts. Es war nichts da. Es wird nichts da sein. Und es wird sich nie etwas ändern. Denn ändern kann sich nur etwas, wenn die Zeit weiter läuft. Wenn Erfahrungen umgesetzt werden. Wenn Neues wartet.

Lebe den Augenblick? Diese Forderung stellt selbst dem Horror die Nackenhaare auf. Ich lebe mein Leben! Nicht mehr und nicht weniger. Und dazu habe ich mein Leben lang Zeit. Auf Zeitdiebe, die mir Vergangenheit und Zukunft rauben wollen, kann ich verzichten.

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