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Wertigkeit der Leids

Sechzig Jahre Kriegsende. Die Medien rütteln das Leid auf. Doch an welches Leid dürfen wir uns heute noch erinnern. Und an welches Leid müssen wir uns erinnern? Ist das Leid des im KZ umgekommenen Polen weniger wert, als das eines Juden? Ist das Leid eines deutschen Kriegskindes weniger wert, als das der durch Nazis vergewaltigten Russin?

Schön für die, denen hier eine eindeutige Zuordnung gelingt. Mir gelingt es nicht, weil ich weiß, was Leid ist. Weil ich Leid kenne, wahrnehme und mich täglich damit auseinander setzen muss.

Unser Alt-68’er hat auch Leid erlebt. Direkt oder indirekt. Durch die Eltern, die Umstände, die emotionale Kälte. In die Hände gespuckt und aufgebaut! Stell dich nicht so an! Schweigen säumte seinen Weg. Schweigen über das Unaussprechliche. Leid gab es nicht. Basta!

Parolen wurden geformt, um dem Unaussprechlichen Form zu geben. Aber sie waren falsch, weil sie nicht aus den Wurzeln gezogen wurden. Man kultivierte lediglich einen Trieb.

Heute stürzt sich unser Alt-68’er auf alles, was in den Medien mit dieser Vergangenheit zu tun hat. Er hofft, dass diese seine Vergangenheit verarbeiten. Er hat es nie gelernt, sich selbst damit bis in seine Wurzeln hinein auseinanderzusetzen. Das Unaussprechliche hat von einem Teil von ihm Besitz ergriffen und er kann es nicht aus seinem Mund herauslassen. Andere müssen es für ihn tun. Die Medien.

Er kultiviert nach wie vor diese Kälte, die zu ihm gehört wie der Wurm zum Apfel. Er kultiviert eine Art soziales Gewissen als Ausrede, sich nicht mit seinem Gewissen auseinandersetzen zu müssen.

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