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Borderliner

Die Anfänge:
Du bist die Falsche, die übrig geblieben ist.
Du bist ein Druckmittel.
Du bist schuld am Überleben.
Du bist schuld!
Du wirst in den ersten Lebensjahren von einer Klink zur anderen geschoben.
Du hast dort keine Familie und keine Sicherheit.
Du wirst von perfidem Klinikpersonal misshandelt.
Unter dem Bettchen festgeschnallt.
Auf dem kalten Boden.
Dein Freund, der Teddybär wird verbrannt.
Du hast die Seuche. Du bist die Seuche.

Fortsetzung folgt:
Du musst zum Schwanz lutschen beim Großvater unter den Tisch.
Du darfst darüber nicht reden, sonst kriegst du’s mit dem Gürtel. Über dem Kohlenbehälter.
Oder mit einem Brett. Oder mit dem Kehrwisch. Oder mit dem Teppichklopfer.
Oder einfach nur mit der Faust ein Paar gescheuert.
Du hat keine Erklärung dafür, aber du wirst angeschwiegen.
Darüber reden heißt: Lügen erzählen.
Wenn du weiter fragst, schließt man dich für Stunden oder Tage im Keller ein.
Du frisst den Frust in dich hinein.
Die anderen verspotten dich deswegen.
Fette, blöde Kuh. Taube Nuss.
Oder sie schneiden dich. Reden nicht mit dir. Lassen dich links liegen.
Du bist jedem egal. Sie lassen es dich merken.
Sie wenden sich ab unter fadenscheinigen Gründen.
Auch und vor allem die, die eigentlich dazu verpflichtet sind, dir Sicherheit zu geben.
Stattdessen wirst du belogen und betrogen. Um eine Familie.
„Sei zufrieden mit dem was du hast!“
„Dir steht nichts anderes zu!“
Dann schlagen sie dich halb tot, um dich blutend zu verlassen.
Für andere Menschen.
Für sich selbst, nicht für dich.
Ohne Verantwortung.
Und du bist schuld!
Am Verrat an deinem Körper.
Am Verrat an deiner Seele.
Du hälst es nicht mehr aus und du weißt nicht, warum.
Du merkst nur, du bist nichts wert.
Sie lassen es dich wissen. Immer und überall. Jederzeit. Bei jeder unpassenden Gelegenheit.
Keine Liebe, keine Aufmerksamkeit, keine Freude.
Dein Selbstbewusstsein wird ständig untergraben.
Deine Selbstwirksamkeit dauernd in Frage gestellt.
Deine Tränen sind nichts wert. Keine Hilfe in Sicht.
Die Retter sind besoffen und laufen anderweitig davon.
In Selbstmitleid.
Du wischt die gespienen Überreste weg, wenn du nach Haus kommst.
Nach Hause?
Deine Tränen lassen irgendwann von alleine nach.
Deine Gefühle auch.

Die Wirkung:
Du schluckst Schlaftabletten oder schneidest dir die Pulsader auf.
Du schlägst den Kopf gegen die Wand, damit du nicht nachdenken musst.
Du stichst und schlägst selber zu. Gehst an die Grenzen.
Deine Rebellion wird verlacht.
Du greifst nach Wissen, damit die Leere in deinem Kopf nicht überhand nimmt.
Damit die Taubheit verschwindet.
Schmerzen empfindest du nicht.
Heiß und Kalt auf deiner Haut ist dasselbe.
Ein Schnitt ist eine Liebkosung. Ein Streicheln.
Positive Gefühle empfindest du nicht.
Negative Gefühle drückst du als Zigarette auf deiner Haut aus.
Da blutet es. Da muss es weh tun.
Du bist erleichtert, die Ursache zu kennen.
Du wirst ruhiger.
Bei Wut drückst du das Gaspedal durch. Dein Leben rast.
Du wirst ruhiger.
Den Frust frisst du in dich hinein. Bis zum kotzen. Und Zentner darüber hinaus.
Du wirst ruhiger.
Die Angst zu verlieren lässt dich ausrasten. Du tobst dir die Seele aus dem Leib.
Du wirst ruhiger.
Probleme stacheln dich an. Reizen dich zur Selbstopferung.
Nur die Harten kommen in den Garten.
Je mehr Schwierigkeiten, desto ruhiger wirst du.
Je mehr Probleme, desto sicherer wirst du.
Deine Farbe ist Schwarz. Nicht Nichts.
Alles ist darin enthalten.
Alles!

Die Zukunft:
Flashbacks sind alltäglich. Geschichte wiederholt sich.
Ein Wort. Ein Satz. Ein Geruch. Ein Blick. Eine Handlung.
Und alles beginnt von vorne.
Niemand versteht dich.
Niemand hat gelernt, mit deinem Hirn zu denken.
Niemand hat dein Leben gelebt.
Aber alle wissen es besser.
Du überlebst. Trotz allem. Trotz allen.
Ohne Glauben, nur mit Wissen.
Sarkasmus, Zynismus und Wut begleiten dich.
Lerne, auf dich selbst zu achten.
Lerne, untragbare Umgebungen zu verlassen.
Lerne, dass du Gefühle hast.
Lerne, sie auszudrücken.
Lerne, dass andere Menschen anders sind.
Lerne, dass du andere Menschen nicht aushalten musst.
Lerne, dass andere Menschen dich aushalten können.
Lerne!

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