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Neujahrsansprache 2006 - Übersetzung

Liebe Standortnachteile,

wo sind wir jetzt? Immer noch hinten! Seht verdammt noch mal zu, dass Ihr endlich Euren Arsch bewegt und voran kommt. Was Ihr tut ist einfach nicht genug. Wie oft muss ich Euch das noch sagen?

Ja, ich habe meine Ziele erfüllt. Mir geht es gut. Und ihr solltet es eigentlich wissen. Zumindest werdet Ihr es merken. Wie sagte doch seinerzeit mein Freund Koch: „Es wird ein Heulen und Zähneklappern geben.“ Schluss mit Lustig. Schluss mit Arbeitsplatz. Pleite sind jetzt nicht nur die Firmen sondern immer mehr auch die deutschen Familien.

Niemand weiß das besser, als ich. Aber Ihr müsst noch mehr geben.

Also noch mal von vorn: Holt gefälligst das Letzte aus Euch raus. Da steckt noch mehr drin! Ihr werdet Euch wundern.

Denkt nicht darüber nach. Wir nehmen auch die kleinste Kleinigkeit, denn 2006 wird das Jahr, an dem es Euch richtig an den Kragen geht. Muss das sein? Selbstverständlich! Jeder Weg beginnt mit meinem ersten Schritt. Lauft endlich los oder ich trete Euch dahin, wo ihr hingehört - nur so kommen wir weiter.

Jeden von Euch - zu Hause, in der Familie, mit Kindern, in der Schule, am Arbeitsplatz, mit Kranken, mit Behinderten, mit bei uns lebenden Ausländern, in Vereinen, in Selbsthilfegruppen, in Bürgerinitiativen, in Kirchen und vielem mehr.

Und in der Politik erst sehr viel später.

Wir tun ja was. Oder haben es uns zumindest vorgenommen. Unsere Ziele sind erreichbar. Eure nicht. Das könnt Ihr uns glauben. Viele kleine Schritte gehen. Immer dahin, wo der Weg gerade am bequemsten ist. So machen wir weiter. Das Ziel vor Augen, beweglich, sich mit unserem Kopf drehend: in 10 Jahren sind wir unserer Pension deutlich sicherer. Dann hat jeder von uns Politikern – persönlich – etwas davon.

Soviel vorweg: die Bundesagentur für Arbeit wird wieder desorganisiert, die Steuern erhöht, Familien werden zur Finanzierung herangezogen, die Lohnnebenkosten und die Steuern für Unternehmen gesenkt, Geld für einheimische Forschung wandert ins Ausland. Wir werden den Leistungen anderer Länder auch weiter hinterher rennen. Ist diese Idee nicht großartig? Wir sparen, koste es, was es wolle – überall – nur nicht bei den unflexiblen Beamten-Strukturen im öffentlichen Bereich: Universitäten, Schulen, Berufsschulen und sonstigen Ministerien.

Wir sind in einer Krise! Und jeder blickt auf uns herab. Wir haben schon vor 16 Jahren die einfache Mathematik nicht beherrscht. Natürlich hat sich dieses Problem angesichts der heutigen finanziellen Lage potenziert. Unsere Milliarden sind bei der Fußball-WM ... vergraben worden. Aber so lange die Menschen so einfach ruhig zu stellen sind, brauchen wir uns über die Folgen keine Gedanken zu machen.

Wir drücken unserer Mannschaft die Daumen. Sie haben es nötig. Und überhaupt: Frauen sind eh die besseren Weltmeister (... hallo Alice!). Ich sehe keinen Grund, warum Männer nicht auch mal etwas leisten sollen.

Auch wenn wir verlieren - wir werden trotzdem feiern. Weil wir immer feiern. Feiern müssen. Das erfordert die Gesellschaft.

Die WM hat, wie ich finde, ein wunderbares Motto: Die Welt zu Gast bei Freunden. Freunden gibt man. Lassen Sie uns Freunde werden und erwarten Sie kein Geld von uns.

Ich wünsche mir auch eine Freundschaft mit unseren Nachbarn in Europa. Das Geld, das wir auf diese Weise ausgeben können, muss ich Euch wenigstens nicht in den Rachen schmeißen. Und Europa ist heute so ineffektiv organisiert, dass keiner mehr durchblickt, wo die Milliarden hinversickern. Ob in den Osten oder auf private Konten. Diesen Umstand müssen wir stärken. Wir müssen uns den darin verborgenen Werten wieder bewusst werden und nachdenken, wie wir schnellstmöglich zu effektiven und abgreifbaren Ergebnissen kommen.

Natürlich müssen wir auch weiterhin den USA unsere Konten zugänglich machen. Und China, und Russland, ... – so gehört sich das nun mal im freien Welthandel. Armeen, Geheimdienste und Spione wollen alle bezahlt werden.

Bei großen Naturkatastrophen tun wir nichts oder nicht viel für andere. Wir beruhigen unser Gewissen mit Spenden. Vor allem für die Länder, in denen sich deutsche Touristen aufhalten. Der Rest der Not kann vernachlässigt werden. Darum sollen sich Hilfsorganisationen kümmern. Brot für die Welt und Kuchen für mich. Tragödien gibt es jeden Tag. Wir werden schon mit den Medien dafür sorgen, dass Ihr nicht vergesst, Eure Geldbeutel zu öffnen, auch wenn Ihr bei uns im Land bereits in Hunger lebt.

Liebe Standortnachteile, es wird viel auf Euch zukommen. Jeder von Euch muss seinen Beitrag leisten! Ach ja, auch hier gibt es ein Probleme, das wir nicht lösen können: die erschreckend hohe Zahl der Arbeitslosen. Wir müssen sie also in Zukunft wieder anders berechnen. Genau das hat sich meine Regierung vorgenommen.

Dabei müsst Ihr uns helfen. Meldet Euch in Zukunft also nicht mehr, auch wenn Ihr glaubt, es steht Euch Geld vom Staat zu. Sinnlose Rituale überwinden. Unsere einfache Weisheit. Nur mit Sklaverei sind Völker wirklich finanziell weitergekommen.

Darum schlafen unsere Beamten länger, unsere Unternehmen übersiedeln ins Ausland, Bund und Länder blockieren sich gegenseitig. Wir arbeiten an einer Erneuerung des Gesundheitswesens in Form von kranken und pflegebedürftigen Reförmchen. Das hat uns überzeugt und kostet uns zu viel Zeit, um was Sinnvolles zu tun.

Liebe Standortnachteile, setzt gefälligst unsere Forderungen auf Kosten Eurer Familie um. Deutschland braucht Euer Geld. Davon leben wir Politiker. Und Ihr habt uns schließlich gewählt. Überrascht mich am Ende des Jahres mit (m)einem vollen Bankkonto.

Nu haut rein – sofort!

Na gut, Ihr dürft noch feiern. Ein Volk das feiert, denkt nicht. Aber vergesst nicht, denen die mitfeiern, mein liebes Wort zum Sonntag weiterzugeben. Ermahnt und fordert sie.

Ich wünsche Ihnen ein gutes, ein erfülltes und gesegnetes neues Jahr 2006.

*** und hier zum Original: http://www.bundeskanzlerin.de/bk/root,did=46214.html





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