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Ursache und Wirkung
Die Nachrichten zur besten Sendezeit erklären mir, dass es meine Schuld ist, wenn in den Slums in Indien Menschen am Rande des Existenzminimums ihre Organe verkaufen. Für eine Hand voll Dollar. Weil ich keinen Organspendeausweis habe. Und Zwischenhändler sich dabei eine goldene Nase verdienen, bis das Organ dem hilfsbedürftigen Patienten eingepflanzt wird.
Wie waren sie doch gleich, die Gesetze des Marktes? Wo kein Käufer, da kein Händler?
So lässt sich also der Wert eines Menschen berechnen. Human Capital. Eine Niere 3.000 Dollar (Preis: Mensch am Rande der Existenz, Indien). Eine Niere 250.000 Dollar (Preis: Patient einer Uniklinik, Deutschland). Wie sagte Orwell doch so schön: „Schweine sind gleicher!“
Die Chance, dass ein transplantiertes Organ seinen Dienst in einem anderen Menschen erfüllt, beträgt maximal 20 Prozent. Auf jeden Patienten in Deutschland kämen somit mindestens fünf lebende Ersatzteillager. Das sind ja Effektivwerte wie bei der neuen Rentner-Reform!
In einer Gesellschaft, die eine Pflicht auf Leben propagiert, kommt mir das wie blanker Zynismus vor. Es müssen mindestens fünf Menschen sterben, damit einer weiterleben kann? Organspende vorausgesetzt. Nur weil die Menschen verlernt haben, mit dem Tot umzugehen. Weil sie das Ende eines Lebens nicht wahrhaben wollen. Weil Wohlbefinden, Aktivität und Jugend das einzige ist, was zählt. Koste es, was es wolle. Oder ist es nur deshalb so, weil die Medizin ihre Möglichkeiten ökonomisch umsetzen muss?
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