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An der Sache entlang diskutieren
Die Sache: Das Deutsche Rentenversicherungssystem.
Entlang diskutieren:
Durch eine kaiserliche Thronrede von Kaiser Wilhelm I. wurden im Jahr 1881 erstmals Gesetze zur sozialen Sicherung der Arbeiter angekündigt. 1883 bis 1889 wurde dieses Ziel in Gesetze gefasst, bei denen der Staat zur sozialen Alterssicherung der Arbeiter einen geringen Anteil zugab. Die Hauptlast lag nach wie vor bei Arbeitern, Arbeitgebern und Familien. Das Verfahren entsprach einer Kapital gedeckten Versicherung.
1957 wurde das Rentensystem umgestellt. Nun wurden auch Angestellte und deren Arbeitgeber in das Umlagesystem mit aufgenommen. Gleichzeitig wurde es an die Einkommensentwicklung der Arbeitnehmer gekoppelt und das Umlageverfahren eingeführt. Dabei finanzieren die Beitragszahler die laufenden Renten der Leistungsempfänger. Die dabei erworbenen zukünftigen Ansprüche an die Rentenkasse müssen später wiederum von der dann beitragszahlenden Generation aufgebracht werden, eine Kapitalrückstellung gemäß der individuellen Ansprüche erfolgt nicht. Man fand die hübsche Bezeichnung „Generationenvertrag“ und wieder konnte eine Wahl gewonnen werden. Der Deckungsausgleich des Staates, so schien es, hält sich in Grenzen.
1972 öffnete man das System für Selbständige und Hausfrauen. Die auf den ersten Blick höheren Einnahmen standen plötzlich erheblicheren Ausgaben gegenüber. Im Namen der Frauenbewegung wurden die Frauen bestärkt, ebenfalls in gute Arbeitspositionen vorzudringen, um Rentenbeiträge zu zahlen – mehr als die einer Hausfrau. Unterstützung bei der Kindererziehung war nicht gewährleistet. Auch wurden flexible Altersgrenzen für verschiedenen Berufsgruppen eingeführt, die das System zusätzlich belasteten. Doch was soll’s! Wieder war eine Wahl gewonnen.
Ab 1992 gerieten die Rentenkassen immer weiter ins Straucheln. Empfänger aus den neuen Bundesländern, Spätaussiedler, ...usw. kamen hinzu, deren Einkommen geringer war, als die Einkommen der westlichen Arbeitnehmer, aber deren Ansprüche sich seit Jahren angesammelt hatten und auch so übernommen wurden. Man entdeckte die Rentenkassen als Geldlager für andere, kurzfristige (so gedacht) Entnahmen. Alles kein Problem: Noch stiegen die Einkommen, die Wahl wurde gewonnen, aber die Globalisierung stand vor der Tür.
2006: Die Frauen hatten Gefallen an ihrer Arbeit gefunden, obwohl sie in der gleichen Zwickmühle waren, wie die Männer: Kind oder Karriere. Beides ging nicht. Sie entschieden sich für die Karriere und haben die Rentenkassen bis dahin am Leben gehalten. Heute macht man ihnen genau dies zum Vorwurf. Sie hätten Kinder kriegen sollen – oder sie bekommen nur die halbe Rente, für meist höhere Einzahlungen in die Rentenkasse. Betrogene Akademikerinnen. Engagement und Idealismus wird bestraft. Und was dann? Dann wäre unser Deutsches Rentensystem 20 Jahre früher auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Doch dies ist noch lange nicht die Wurzel allen Übels. Es gibt noch andere, akutere Faktoren: Die real sinkenden Einkommen der Arbeitnehmer. Davon wird das Geld in der Rentenkasse auch nicht mehr. Ebenso die vielen Arbeitslosen, die nur den Mindestbeitrag zahlen. Die Sanierung der Konzerne zu Lasten des Staates aufgrund des Abbaus der älteren Arbeitnehmer: Der Vorruhestand. Die Ich-AG förderten ebenfalls den Ausstieg aus dem System. Manager, die einst Großkonzerne ruinierten, taten selbiges nun mit dem Staat. Beamte und Freiberufler, die an sich Geld hätten, wurden nie in das System eingebunden. Deren Zahl und Einkommen stieg aber immer weiter an.
Freunde, wir brauchen keine Kinder, wir brauchen Einzahler in das Rentensystem, die das Geld aufbringen können – und zwar schnell! Kinder alleine nützen da überhaupt nichts, wenn sie später kein Einkommen haben. Es sind exakt die gleichen, männlichen Politiker, die eine Hexenverbrennung fordern um sich dann im nächsten Interview über die aktuelle Kinderarmut in Deutschland aufzuregen. Vielschichtigkeit wird heute leider nur allzu gerne mit Polemik übertüncht.
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